Ostdeutsche Heimatstube – ein Ort gegen das Vergessen

Schlesisches Schlachtfest findet am kommenden Samstag statt

(wS/nk) Neunkirchen – Historische Karten und Fahnen schmücken die Wände, Trachten aus verschiedenen Regionen und handgeschwämmelte Stücke des bekannten Bunzlauer Haushaltsgeschirrs werden in großen Vitrinen ausgestellt, in Schaukästen können detaillierte Modelle bekannter Gebäude bewundert werden, charakteristisches Kunsthandwerk und Klöppelspitze werden gezeigt. Die Ostdeutsche Heimatstube in Neunkirchen dokumentiert eindrucksvoll das Leben in den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Rund 600 Stücke wurden dazu in den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen – und noch immer werden es mehr.

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Im Jahr 1844 trat ein Gesetz in Kraft, mit dem die Fischerei im Kurischen Haff kontrolliert werden sollte. Alle Schiffe wurden mit einem Kurenwimpeln ausgestattet. Auf diese Weise konnte man den Heimathafen der Fischer erkennen.

Etwa 14 Millionen Deutsche und deutschstämmige Angehörige verschiedener Staaten mussten zwischen 1944 und 1950 aus ihrer Heimat flüchten oder waren von der Vertreibung betroffen. Nach der geglückten Flucht in den Westen schlossen sich in Neunkirchen einige Menschen aus Schlesien, Ostpreußen und Pommern [sowie die Vertriebenen aus den ehemals besetzten Gebieten] zum „Verband der Heimatvertriebenen aus dem deutschen Osten“ zusammen, aus dem später der Bund der Vertriebenen (BdV) Ortsgruppe Freier Grund hervorging. Sie waren es auch, die 1959 in einem Privathaus in Burbach einen Raum einrichteten, den sie mir Erinnerungsstücken an ihre alte Heimat füllten. Nach mehreren Umzügen ist die Heimatstube 1976 in den Räumlichkeiten des Museum des Freien Grundes gelandet. Verantwortlich zeichnet heute der Bund der Vertriebenen in Neunkirchen (BdV) für dieses, in der Regiongrößte Ostdeutsche Museum.

Die Ostdeutsche Heimatstube beherbergt eine ganze Reihe verschiedener Volkstrachten wie etwa aus Schlesien oder Siebenbürgen.

Die Ostdeutsche Heimatstube beherbergt eine ganze Reihe verschiedener Volkstrachten wie etwa aus Schlesien oder Siebenbürgen.

Auf rund 150 Quadratmetern kann sich der Besucher ein Bild machen von einer Zeit, die nunmehr 70 Jahre zurück liegt, aber angesichts der aktuellen weltweiten Entwicklung nach wie vor von Bedeutung ist. „Mir ist wichtig, dass das Schicksal der Flüchtlinge nicht vergessen, dass die Vertreibung nicht unter den Tisch gekehrt wird“, betont Norbert Gorlt, der Vorsitzende des BdV. Seit dem Tod von Hans Schiffmann, der an der Gründung des Museums maßgeblich beteiligt war und sich auch auf Kreisebene für die Heimatvertriebenen einsetzte, ist er Ansprechpartner und „Kurator“ der Ostdeutschen Heimatstube.

Das Museum will ein Bild des gesamten Ostraumes vermitteln. Und so finden hier zahlreiche Exponate Platz, die sich vorwiegend mit dem Brauchtum sowie der Lebens- und Arbeitswelt in den ehemaligen deutschen Ostgebieten beschäftigen. Informativ sind die Themenbereiche, die sich den klassischen Berufsfeldern, wie z.B. der Fischerei, der Landwirtschaft, der Weberei oder der Bernsteingewinnung und –verarbeitung widmen. Darüber hinaus werden in den beiden großen Ausstellungsräumen berühmte Persönlichkeiten portraitiert, die aus Schlesien, Ostpreußen oder Pommern stammen.

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Aus Schlesien und dem Erzgebirge stammen die Lichterträger, aus dem Erzgebirge die Kurrendesänger – noch heute schmückt Kunsthandwerk wie dieses die vorweihnachtlich geschmückten Wohnungen.

Dass ein solch umfangreicher Schatz zeitgeschichtlicher Dokumente und Objekte überhaupt zusammengetragen werden konnte, erstaunt Gorlt noch heute. „Bedenkt man, wie gering die räumlichen Kapazitäten bei einer Flucht zu Fuß oder mit dem Pferdefuhrwerk waren, zeigt unsere Ausstellung, was den Menschen damals wirklich am Herzen lag.“ Viele der ausgestellten Exponate haben die Mitglieder des „Verbandes der Heimatvertriebenen aus dem deutschen Osten“ eingebracht. Das Gros stammt aber aus Nachlässen, und so treten nach wie vor Menschen an den BdV heran, um für die historische Trachten, Bücher oder Porzellan ihrer verstorbenen Ahnen einen würdigen Platz zu finden.

Anhand von alten Fotografien, Werbung und Bücher können sich die Besucher der Ostdeutschen Heimatstube ein Bild machen, von dem Arbeiten Leben in den ehemaligen Ostgebieten.

Anhand von alten Fotografien, Werbung und Bücher können sich die Besucher der Ostdeutschen Heimatstube ein Bild machen, von dem Arbeiten Leben in den ehemaligen Ostgebieten.

Neben dem Wunsch, dass Leben und die Traditionen der Menschen aus den Ostgebieten auch heutigen Generationen nahe zu bringen, sieht der BdV seine Aufgabe auch darin für mehr Verständnis und Mitgefühl zu werben: „Sich gezwungen zu sehen, seine Heimat zu verlassen oder gar aus ihr vertrieben zu werden, das ist schlimm – damals wie heute“, weiß Gorlt, dessen Eltern aus Schlesien bzw. dem Sudetenland stammten.

„Flüchtlinge wurden damals oft als Menschen zweiter Klasse behandelt – und leider sehen das viele Menschen heute noch so“, vermutet Gorlt. „Dabei lässt doch niemand gern sein Zuhause zurück“, so der Altenseelbacher, dessen Wunsch es ist eines Tages Schulklassen in der Ostdeutschen Heimatstube begrüßen zu können, um ihnen das Leben – und Leiden – der Schlesier und Sudentendeutschen, der Ostpreußen und Siebenbürgener und den vielen anderen Vertriebenen näher zu bringen.

Als Erinnerung an die alte Heimat veranstaltet der BdV zu Beginn eines jeden Jahres ein schlesisches Schlachtfest. Zum 54. Mal wird dieser Event am kommenden Samstag zelebriert. Neben dem Genuss schlesischer Spezialitäten wie Wellfleisch und Wellwurst, also Blut und Leberwurst, steht aber auch hier das gemeinsame Erinnern im Vordergrund.

Fotos: Gemeinde Neunkirchen

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