Neunkirchener Senioren wagten Blick hinter Kulissen des Krematoriums

(wS/nk) Neunkirchen 02.05.2016 | „Ich bin sehr dankbar für die offenen und ehrlichen Worte“, brachte Wolfgang Mondorf die Eindrücke aller Teilnehmer nach der Führung durch das Krematorium Siegen auf den Punkt. 15 Personen zählten zu der Gruppe, die von Katharina Hussing durch die Räumlichkeiten geführt wurde. Und nicht zuletzt ihr Verdienst war es, dass die Atmosphäre bei diesem Besuch bei aller Information als pietätvoll und sehr freundlich wahrgenommen wurde.

Bettina Großhaus-Lutz hatte die Führung auf eine Bitte aus der Bevölkerung hin organisiert. Die Leiterin der Senioren-Service-Stelle Neunkirchen war überrascht ob der großen Resonanz. Schon eine Woche zuvor hatten sich auf dem Lindenberg 20 Personen getroffen, um sich über die Option Einäscherung zu informieren. Im dezent, aber freundlich eingerichteten Trauerraum wurde die Gruppe empfangen, von dort ging es weiter in den Bestattungsraum. Jede Station, die der Sarg – und nachher die Asche passierte wurde gezeigt und erklärt.

Auf sehr sympathische Weise führte Katharina Hussing die Neunkirchener Besucher durch das Krematorium Siegen und stand ihnen Rede und Antwort. Foto: Gemeinde

Auf sehr sympathische Weise führte Katharina Hussing die Neunkirchener Besucher durch das Krematorium Siegen und stand ihnen Rede und Antwort. Foto: Gemeinde

Hussing versprach allen Teilnehmern, dazu ein „realistisches Bild“ zu liefern. Und sie schaffte es, Vorurteile aus dem Weg zu räumen und die Einäscherung als einen völlig transparenten Prozess darzustellen. Respekt und Würde seien wichtig bei der Feuerbestattung, den Verstorbenen wie auch den Angehörigen gegenüber. Eine entsprechende Zeremonie verdeutlicht dies: Die Hinterbliebenen erhalten die Hälfte eines hölzernen Erinnerungszeichens. Während der Dauer der Einäscherung brennt darauf eine Kerze. Die andere Hälfte des Erinnerungszeichens ist mit dem Toten ins Feuer gegangen.

Zwei der Teilnehmerinnen besitzen bereits eine solche Kerze. Ihre Männer sind vor einiger Zeit im Krematorium Siegen eingeäschert worden. Nun fanden die beiden Witwen die Kraft, an einer Führung teilzunehmen – und bereuten ihren Entschluss nicht.

Doch nicht alle Neunkirchener Besucher standen der Möglichkeit, eines Tages verbrannt zu werden, von vorneherein positiv gegenüber. In der Gesellschaft bestehen noch immer Vorbehalte hinsichtlich der Feuerbestattung. Historisch negativ behaftet, ist sie heute abhängig von Religion und Glauben erlaubt, geduldet oder verboten. Im Christentum steht ihr die leibliche Auferstehung der Toten entgegen. Inzwischen wird sie aber sowohl von der katholischen als auch von der evangelischen Kirche toleriert.

Das belegen auch die Statistiken: Die Zahl der Einäscherungen ist den vergangenen Jahren stark angestiegen. Mehr als die Hälfte aller Beisetzungen sollen inzwischen Feuerbestattungen sein. Neben den geringeren Kosten für die Grabstätte wird oft die Grabpflege für die Entscheidung zur Einäscherung angeführt. Das kleinere Urnengrab oder die letzte Ruhe im Ruheforst oder Bestattungswald verlangen den Hinterbliebenen weniger bis gar keine Arbeit mehr ab. Man weiß sich gut versorgt.

„Es fällt nicht immer leicht, sich schon zu Lebzeiten mit dem Tod zu beschäftigen“, weiß Katharina Hussing und doch rät sie dazu, den letzten Weg früh genug zu planen. Dem letzten Wunsch und möglicherweise einem individuellen Abschied könne so am besten entsprochen werden. Allerdings falle auf, dass die Vorstellungen vom Ausscheiden aus dem Leben mit den Lebensjahren konkreter würden.

Dass das Krematorium Siegen nach anfänglicher Skepsis nun doch gut angenommen werde, hängt auch mit dem Faktor Zeit zusammen. „Früher wurde der Verstorbene von dem Bestatter nach Hagen gebracht, dann konnte es vier bis fünf Wochen dauern, bis die Urne wieder in Neunkirchen ankam“, erinnert sich Bettina Großhaus-Lutz. Heute fällt diese Wartezeit weg.

Hussing durchläuft mit der Gruppe jeden Raum und erklärt verständlich jeden Prozess und sie betont: „Wir wissen um das Vertrauen, was uns entgegengebracht wird.“ Diese Einstellung nimmt vielen Teilnehmern die Angst vor der Feuerbestattung. Eine Besucherin sah dies von Beginn an gelassener: „Der Körper ist nur eine Hülle, die uns zur Verfügung gestellt wird“, so Doris Stötzel. Für alle, die an der Führung nicht teilnehmen konnten, plant Bettina Großhaus-Lutz im Rahmen der Weltalzheimertage im Herbst einen Vortrag mit Filmvorführung zu diesem Thema.

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