Veterinäramt drängt Siegener Tierheim auf Herausgabe in Obhut genommener Tiere

(wS/red) Siegen 05.11.2015 | Im aktuellen Fall der Haustiere, die Mitarbeiter des Siegener Tierheimes in der vergangenen Woche auf behördliche Anordnung aus einer verwahrlosten Wohnung abholten, gibt es laut Verantwortlichen des Tierheims keine Neuigkeiten. Fest steht nur, dass die zwei Meerschweinchen, zwei Kaninchen, sechs Vögel, zwei Katzen und sieben Hunde auf Anordnung des Veterinäramtes des Kreises Siegen-Wittgenstein der Besitzerin zurückgegeben werden müssen. Bislang wurden die Tiere allerdings noch nicht abgeholt. Die Abholung sollte eigentlich heute durch Mitarbeiter des Kreises erfolgen.

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Hintergrund (aus Sicht der Tierheimbewohnern „Lotte“ 😉

Hallo Leute,

hier die traurige, deprimierte, erschütterte Lotte. Ich wollte euch letzte Woche schon von einem unschönen Ereignis berichten, durfte aber nicht, da die Zweibeiner keinen Streit und Zoff wollten. Sie meinten wohl jeder Mensch hätte die Chance verdient falsche Entscheidungen zu überdenken und geradezurücken.

Leider ist dies nicht geschehen und heut war dann die Hölle los. Vielleicht habt ihr es mitbekommen. Wir haben sogar das Tierheim geschlossen, damit niemand auf den Hof kommt und einfach Tiere mitnimmt. Da die Zweibeiner hier alle heut total gestresst und deprimiert sind, erzähle ich euch die Geschichte mal.

Alles fing eigentlich für uns letztes Jahr im Januar an. Da bekamen wir einen Anruf und sollten aus einem Wohnhaus in Eiserfeld Tiere abholen. Das Veterinäramt hatte diese Räumung veranlasst. Plötzlich saßen also im Tierheim 19 Hunde, 17 Katzen, 1 Frettchen, 6 Vögel und 6 Kleintiere.

Die meisten Tiere waren nicht super gepflegt, aber auch nicht verwahrlost, keins verhungert, aber Speck hatte auch niemand auf den Rippen.

Mehrere der Hunde hatten schlimme Verhaltensstörungen, drehten sich im Kreis, haben sich selbst gebissen, waren total verängstigt. Ein alter Schäferhund musste sofort eingeschläfert werden, er konnte nicht mehr laufen, nicht aufstehen. Urin und Kot flossen so aus ihm heraus, er war wund gelegen. Da war der Tod eine Erlösung. Ein Welpe, winzig klein, 5 Wochen alt, hatte sich von Katzenstreu ernährt. Er war komplett verstopft , hatte schreckliche Schmerzen. Nach 3 Tagen Hoffen und Bangen war er über den Berg.Viele Katzen hatten Schnupfen, eine einen riesigen Bluterguss am Bauch, mehreren lief der Eiter aus der Scheide. Alles in allem nicht der Traum vom Tierleben.

Alle Tiere wurden gepäppelt und bis auf 3, die chronisch krank sind, konnten alle in ein schönes liebevolles Zuhause vermittelt werden. Ob die ehemalige Besitzerin weiterhin Tiere halten darf, nur noch eine begrenzte Anzahl oder einfach wieder neu aufstocken darf dringt natürlich nicht an die Öffentlichkeit.Wir wussten aber von diversen Anrufen, dass sie weiter züchtet, die Tiere an der Haustür verkauft und weiterhin sammelt.

Letzte Woche war die Polizei dann in besagtem Haus, aber aus anderen Gründen. Die Polizisten waren wohl schockiert von der Tierhaltung, vom Dreck und Gestank in der Wohnung. Sie informierten das Veterinäramt. Leider kam keiner der Amtsträger an den Ort des Geschehens. Es war auch schon 19 Uhr. Man entschied kurzerhand am Telefon, dass die Menschen im Tierheim eher dafür geschaffen sind so spät noch zu arbeiten ( so denk ich mir das, gesagt haben sie das nicht. Aber ich kenn das von mir, ich bin abends auch echt lethargisch). Also fuhren 6 Tierheimmitarbeiter los und sollten alle Tiere einsammeln und erstmal im Tierheim unterbringen.Kein Problem. Ok, manche hatten etwas Würgreiz, weil die Wohnung voller Kot und Urin war. Es stank erbärmlich. Nirgendwo Wasser oder Futter. Auch nicht in den verdreckten Kleintier-und Vogelkäfigen, in denen die Tiere saßen. Im Tierheim wurden alle erstmal grob durchgecheckt. Es handelte sich bis auf einen älteren Hund nur um Jungtiere. Diesmal waren es auch ganz wenige Tiere: 2 Meerschweinchen, 2 Kaninchen, 6 Vögel, 2 Katzen, nur 7 Hunde. Allerdings war eine Pudelhündin mit 2 frisch geborenen Welpen dabei. Die Kleinen hatten noch blutige Nabelschnüre, waren schwach, wimmerten, eiskalt, die Mägen leer. Die Mutter interessierte sich nicht so sehr für die Kleinen. Die Zweibeiner dachten sich, es wäre wohl besser einen Tierarzt danach gucken zu lassen.

Die Babys bekamen warme Infusionen, später Milch aus der Pipette. Nachts irgendwann nahm die Mutter sie an. Allerdings störten die Filzplatten vorm Gesäuge. So kamen sie nicht an die Zitzen ran. Also mussten wir erst noch eine Schere bemühen. Nach einer durchwachten anstrengenden Nacht waren die Welpen morgens fit und alles war gut. Mama und Babys brauchen immer noch Rund-um-die-Uhr Betreuung. Zum Glück gibt es nette Menschen, die sich da voll engagieren.

An dieser Stelle erwarten jetzt sicher alle das Happy End. Für jeden Otto Normalverbraucher wäre logisch: Tierhaltung nicht toll – Qual und Leid für einige Tiere – hat den Steuerzahler schon viel gekostet … also: Tiere bleiben im Tierheim und das ganze hat Konsequenzen.

Nein!!!!!

Nach Betrachtung der Tiere am Tag danach und Betrachtung der Wohnung zwei Tage danach durch das Amt: Alles ok, super Haltung. Alle Tiere zurück. Wie alte Dackelrocker sagen: Back to Hell! Kostet die Frau auch nix, weil ja alles nicht ihre Schuld ist.

Was wirklich schade ist, ist, dass das Veterinäramt sich nicht einmal bei uns erkundigt hat, was eigentlich an dem Abend los war, was von uns unternommen wurde. Es findet nie ein vernünftiges Gespräch statt. Die Informationen möchte niemand haben. Es interessiert nicht und die Aussage war schon „alle Tiere gehen zurück“ bevor alle Tiere und Wohnung gesichtet waren. Komisch, oder??? Haben die Hellseher an Bord?

Man fragt sich hier natürlich, warum sollten die Tiere letztes Jahr und Mittwochabend aus der Wohnung raus?? Wenn alles ok ist, hätten sie doch einfach alle da bleiben können. Ist das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Mitmenschen??

Wir bekommen auch keine Begründung warum nun alles ok ist und alle Tiere abgeholt werden dürfen. Wobei es hier sogar so ist, dass das Veterinäramt sie als besonderen Service hier abholt und der Dame nach Hause bringt.

Man könnte jetzt sagen, dass uns doch niemand Rechenschaft schuldig ist, aber wir müssen es doch auch vor unseren Mitglieder und Spendern rechtfertigen können und wir alle sind Steuerzahler, das sollte man nicht vergessen, selbst ich kleiner Hund bezahle Jahr für Jahr.

Der letzte Stand der Dinge ist, dass das Veterinäramt heute Mittag anrief und anmeldete die Tiere in einer Stunde abzuholen. Um noch Zeit zum agieren und reagieren rauszuschinden haben die Zweibeiner beschlossen, das Tierheim einfach zu schließen und so die Sache erstmal rauszuzögern. Aber es wurde dann mit Öffnung des Geländes durch die Polizei gedroht, so dass wir sie doch reinlassen mussten. Leider war das Amt etwas schlecht organisiert. Sie kamen mit zwei Personen und ohne jede Box und Kiste. Wie will man so die ganzen Tiere transportieren? Muss man schon vorher mal nachdenken drüber, oder?

Also zockelten sie wieder ab und kommen nun morgen mit allen nötigen Utensilien und genug Leuten wieder und packen alles ein und bringen alle zurück ins „Wohlfühlparadies“.

Das hört sich jetzt so locker an, aber ihr könnt mir glauben: hier sind heute bei mehr als einem Zweibeiner beim Gedanken an diese Aktion Tränen geflossen.

Hier möchte keiner die Tiere behalten, weil sie uns Geld bringen oder aus sonstigen blöden Gründen, sondern einzig und allein, weil wir möchten, dass sie in ein schönes Leben gehen, wenn sie unser Tor durchschreiten.Was soll aus den Babys werden, die mit Ach und Krach überlebt haben?? Was aus den jetzt noch lustigen Welpen von 3-4 Monaten?? Was aus dem Opa-Hund mit kaputter Hüfte?? Was aus dem Kaninchenbaby, dass bald geschlechtsreif ist und dann von einem Bock, der dreimal so groß ist viel zu früh gedeckt wird??

Was wird aus den Hunden insgesamt, die unter Giardienbefall leiden und von uns bereits anbehandelt wurden?? Alles Gedanken, die mürbe und traurig machen.

So, nun kennt ihr die Sachlage. Ihr werdet sicher in den nächsten Tagen noch mehr davon hören und sehen.

Bestimmte Leute werden die Tierheimmitarbeiter als hysterische bekloppte Blödis hinstellen, die eh nichts kapieren und nur Stunk wollen. Nein, wollen sie nicht und doch sie kapieren so manches. Sie wollen Erklärungen, Gerechtigkeit und die Rettung der Tiere, die sie jetzt seit einer Woche in der Obhut haben.

Wenn hier wirklich nichts geschieht, ist das eine Bankrotterklärung für den Tierschutz im Kreis Siegen-Wittgenstein.

In der Hoffnung auf gute Nachrichten

Eure Lotte

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Fotos: Kay-Helge Hercher / wirSiegen.de

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